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Bürokratieentlastungsgesetz IV seit 1.1.2025 in Kraft: Textform statt Schriftform für langfristige gewerbliche Mietverträge

Inkrafttreten des Bürokratieentlastungsgesetzes IV (BEG IV) zum 1. Januar 2025

Am 1. Januar 2025 ist das Bürokratieentlastungsgesetz IV (BEG IV) in Kraft getreten. Eine wesentliche Neuerung betrifft gewerbliche Mietverhältnisse: Für die Einhaltung der Form gemäß § 550 BGB ist für Gewerberaummietverträge künftig nicht mehr die gesetzliche Schriftform gemäß § 126 BGB erforderlich, sondern die gesetzliche Textform gemäß § 126b BGB ausreichend. Das bedeutet, dass gewerbliche Mietverhältnisse mit einer festen Laufzeit von mehr als einem Jahr künftig lediglich die Textform einhalten müssen.

Nach wie vor gilt jedoch, dass ohne Einhaltung dieser Form abgeschlossene Mietverträge nicht unwirksam sind, sondern als auf unbestimmte Zeit geschlossen gelten und nach Ablauf eines Jahres unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfristen gekündigt werden können.

Die Formerleichterung der Textform gilt für alle gewerblichen Mietverhältnisse, die ab dem 1. Januar 2025 abgeschlossen werden oder zu denen eine Änderung nach dem 1. Januar 2025 vereinbart wird. Für vor dem 1. Januar 2025 bereits abgeschlossene Mietverhältnisse ist bis einschließlich 1. Januar 2026 weiterhin maßgeblich, ob die Schriftform eingehalten ist. Danach ist auch bei bestehenden Mietverhältnissen entscheidend, ob diese mindestens die gesetzliche Textform einhalten.

Einhaltung der gesetzlichen Textform

Im Gegensatz zur Schriftform erfordert die Textform keine eigenhändige Namensunterschrift oder qualifizierte elektronische Signatur. Erforderlich für die Einhaltung der gesetzlichen Textform ist lediglich die Abgabe einer lesbaren Erklärung auf einem dauerhaften Datenträger, in der die Person des Erklärenden genannt ist. Ein dauerhafter Datenträger ist ein Medium, das dem Empfänger ermöglicht, die Erklärung so aufzubewahren oder zu speichern, dass sie ihm während eines angemessenen Zeitraums zugänglich bleibt und unverändert wiedergegeben werden kann. Dies können z.B. E-Mail, Messengerdienste, SMS, Nachrichtendienste sozialer Medien, aber auch PDF-Dateien oder mit einer einfachen elektronischen Signatur unterzeichnete Dateien (z.B. über DocuSign) sein.

Offene Fragen für die Praxis

Die Rechtsprechung hat in der Vergangenheit aus dem Erfordernis der eigenhändigen Namensunterschrift eine Reihe von Vorgaben für die Einhaltung der gesetzlichen Schriftform entwickelt. Insbesondere wurde aus dem Erfordernis der Unterschrift geschlossen, dass diese eine Abschlussfunktion für die Urkunde hat. Deshalb müsse der sogenannte Urkundszusammenhang gewahrt werden, also insbesondere die Zugehörigkeit der einzelnen Seiten des Mietvertrags zur Urkunde sowie der Anlagen und Nachträge erkennbar sein. Auch wenn die Rechtsprechung im Zuge der sogenannten „Auflockerungsrechtsprechung“ hierfür keine feste Verbindung aller Dokumente mehr verlangt, musste jedenfalls ein „gedanklicher“ Zusammenhang durch entsprechende Verweise zwischen Hauptvertrag, Nachträgen und Anlagen klar erkennbar bleiben. Ob die Rechtsprechung die gleichen Erfordernisse an einen in Textform abgeschlossenen Mietvertrag stellen wird, ist derzeit ungewiss. Der unveränderte Schutzzweck des Formerfordernisses für Mietverträge – nämlich einem Erwerber eines Grundstücks, der kraft Gesetz in den Mietvertrag eintritt, die Möglichkeit der umfassenden Vertragsprüfung zu geben – spricht jedenfalls dafür.

Trotz der durch das BEG IV eingeführten Formerleichterungen bleibt daher eine sorgfältige Beachtung von Formanforderungen weiterhin unverzichtbar. Bestehende Abschluss- und Unterzeichnungsprozesse sollten überprüft und, je nach bevorzugter Unterzeichnungsart, angepasst werden. Insbesondere bei digitaler Vertragskorrespondenz ist zudem Vorsicht geboten: Solche Kommunikationswege können unbeabsichtigte Vertragsänderungen herbeiführen oder – selbst bei gewollten Vertragsabreden – das Risiko von Formverstößen bergen, da sie in der Regel nicht den gegebenenfalls weiterhin erforderlichen Urkundenzusammenhang wahren. Zudem sind digitale Korrespondenzen häufig inhaltlich unklar, lückenhaft oder widersprüchlich. Dies erschwert nicht nur die eindeutige Feststellung des Vertragsinhalts für die Vertragsparteien, sondern auch für potenzielle Erwerber, was Streitigkeiten begünstigen und durch unklare Regelungen seinerseits einen Formverstoß begründen kann.

Empfehlungen für die Praxis

Angesichts der neuen Formerleichterung sollten in der Praxis insbesondere folgende Punkte beachtet bzw. geprüft werden:

  • Form der Unterzeichnung
    Da langfristige gewerbliche Mietverträge künftig lediglich der gesetzlichen Textform genügen müssen, sind weder eigenhändige Unterschriften noch qualifizierte elektronische Signaturen zwingend erforderlich. Solche Mietverträge können nun auch ohne Ausdruck des Vertrags einschließlich sämtlicher Anlagen einfach elektronisch abgeschlossen werden. Zu Beweis- und Speicherungszwecken empfiehlt sich jedoch die digitale Vertragsunterzeichnung beispielsweise mithilfe von Tools wie PDF-Signatur, DocuSign oder ähnlichen Programmen. Eine eigenhändige Unterschrift oder qualifizierte elektronische Signatur bleibt ebenfalls weiterhin zulässig, da auch sie die Anforderungen der Textform erfüllt. Den Parteien steht es zudem frei, künftig freiwillig die strengere Schriftform zu vereinbaren. Vermieter sollten prüfen, ob und wie sie ihre Verträge künftig unterzeichnen möchten, und ihre Vertragsschluss-, Unterzeichnungs- sowie Ablageprozesse gegebenenfalls anpassen. Besonders bei Großvermietern oder Vertragsparteien mit Auslandsbezug dürften sich rein digitale Vertragsschlüsse aufgrund der vereinfachten Abläufe bei Vertragsausfertigung und Unterschrifteneinholung schnell durchsetzen.
  • Sorgfältige Vertragsgestaltung
    Wesentliche Vertragsabreden sollten – unabhängig von Schrift- oder Textform – nach wie vor eindeutig und widerspruchsfrei festgehalten werden. In vielen Fällen empfiehlt sich weiterhin die Erstellung eines einheitlichen (wenn auch nur digitalen) Dokuments mitsamt allen Anlagen. Besondere Vorsicht ist bei Vertragsabschlüssen oder -änderungen durch reine digitale Korrespondenz z.B. als E-Mail-Thread geboten, da diese Form- und Auslegungsrisiken bergen.
  • Disclaimer in Angeboten und Korrespondenz
    Um ungewollte Vertragsabschlüsse per E-Mail oder andere digitale Medien zu vermeiden, sollten klare Kommunikationsrichtlinien sowie entsprechende ausdrückliche Vorbehalte gemacht werden.
  • Austausch vollständiger Vertragsdokumente
    Bei einem digitalen Vertragsschluss sollte stets der vollständige Vertrag ausgetauscht werden. Der Austausch reiner Unterschriftsseiten ist zu vermeiden. Falls Anhänge separat versendet werden müssen, sollte sichergestellt sein, dass sie eindeutig auf den Hauptvertrag bezogen sind und der Inhalt von der Gegenseite auch ausdrücklich bestätigt wird.
  • Dokumentensicherung digitaler Dokumente
    Digital abgeschlossene Verträge müssen dauerhaft gesichert werden. Dabei ist zu beachten, dass Tools wie DocuSign die Verträge nach einer gewissen Zeit löschen. Daher ist eine separate Speicherung erforderlich. Je nach Einzelfall ist gegebenenfalls auch die zugehörige E-Mail-Korrespondenz zu archivieren. Bereits jetzt bieten wir Lösungen an, die unterzeichnete Dokumente automatisch z.B. in einem Asset-Management-Datenraum ablegen. Sprechen Sie uns dazu gerne an.
  • Anpassung bisheriger Schriftformklauseln
    Abhängig vom präferierten Abschlussprozedere sollten die bisher üblichen Schriftformklauseln in Neu- und Bestandsmietverträgen angepasst werden und gegebenenfalls freiwillige (Text-)Formkriterien für künftige Vertragsschlüsse festgelegt werden, z.B. kann zu Beweis- und Speicherungszwecken vereinbart werden, dass Vertragsschlüsse mindestens den Austausch einfach digital unterzeichneter Vertragsfassungen erfordern.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die durch das BEG IV eingeführte Formerleichterung des § 550 BGB künftig den Abschluss von langfristigen gewerblichen Mietverträgen formal vereinfacht, gleichzeitig aber eine Reihe von Stolperfallen bereithält. Es sollte daher weiterhin eine sorgfältige Beachtung der Formvorschriften sowie gegebenenfalls eine Anpassung bestehender Vertragsschluss-, Unterzeichnungs- und Ablageprozesse erfolgen. Gerne unterstützen wir Sie bei der Optimierung Ihrer Verträge und Unterzeichnungsprozesse und stehen Ihnen bei Rückfragen jederzeit zur Verfügung.